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Jochen Hippler

FDJler, Fascho, REP -
eine Ostberliner Karriere

Manuskript, geschrieben 1990



Peter ist Republikaner. Er lebt in Ost-Berlin, ist 25 und Installateur. Ich treffe ihn im Westen, bei einer Veranstaltung von REPs aus der DDR, die unter der Obhut ihrer westlichen Parteifreunde stattfindet. Journalisten sind nicht zugelassen, ich muß "leider, leider" draußen bleiben, wie mir teilweise freundlich, teilweise barsch versichert wird. Ebenso geduldig wie vergeblich weise ich darauf hin, daß ich schließlich telefonisch eingeladen worden sei - ohne Erfolg, der unfreundlichere der Ordner ist nicht zu erweichen. Ein etwas angetrunkener Mann, dunkelblond und groß, kommt auf mich zu. Es heißt Peter und ich tue ihm leid. Peter ist offen und freundlich, er bietet mir an, daß er mit mir sprechen würde, wenn ich schon nicht in die Veranstaltung dürfe. Er reicht mir seine Bierflasche. Wir suchen uns eine Kneipe in der Nähe.

"Ich bin in einer Diktatur geboren und aufgewachsen. Kindergarten und Soldatenlieder, Soldatengedichte. Und dann kommst du in die Schule und da geht es weiter. Dann in die Jungen Pioniere. Thälmann Pioniere kommt dann als nächstes. Das machst du alles durch. Da wirst du immer verankert, bekommst irgendwelche Funktionen. Und dann kommt die FDJ. Und da fängt es an, kriminell zu werden."
Peter kommt aus einer stramm rechten Familie, sein Vater ist überzeugter Antikommunist. Er haßte die SED und den Kommunismus allgemein. Peters Großvater war unter den Nazis bei der SS, Peter hat ein Foto gefunden, auf dem sein Großvater stolz und ungemein deutsch Uniform trägt.
Peter spricht unsicher, nicht nur wegen des Biers. Der Umgang mit Journalisten ist ihm fremd. Immer wieder sieht er mich fragend von der Seite an.
Peter wollte nicht in die FDJ, wehrte sich mit Händen und Füßen - das sagt er zumindest heute. Er nimmt den Haß seines Vaters an und überträgt ihn auf die FDJ. Trotzdem muß er eintreten, zumindest glaubt dies die Familie.
In der FDJ wird er bald zum "Agitator" und damit in den Vorstand gewählt. Ein FDJ-Agitator ist dazu da, den Mitgliedern Informationen über die politische Lage und die offizielle Linie zu vermitteln. Peter nimmt die Wahl an, er sagt, "ich mach die Sache". Er bekommt drei tägliche Zeitungen schon vor den anderen und hält in der Schule kleine Vorträge. Er ist durchaus noch kein Oppositioneller. Nach einiger Zeit kommt es zu Spannungen: die Lehrer sind mit seinen Themen und mit seiner Art der Agitation nicht einverstanden, er wird abgesetzt. Peter nimmt das persönlich übel und er zieht daraus den Schluß, "daß wir hier keine Meinungsfreiheit haben. In der FDJ bin ich aber doch geblieben, weil das zum Schulbild gehörte. Irgendwann habe ich dann aber doch aufgehört, Beiträge zu zahlen."

Mit großer Selbstverständlichkeit läßt Peter einfließen, daß er nach seiner FDJ-Zeit "Faschist" geworden sei, oder, wie er selbst auch sagt, "Neo-Faschist". Ich frage ihn warum.

Peter entschuldigt sich umständlich, hofft daß es mich nicht stört, und geht zum zweiten mal zur Toilette. Die sehr feine Kellnerin sieht ihm leicht mißbilligend nach, er bemerkt es nicht.
"1985 bin ich von zuhause ausgezogen. Meiner Freundin und mir wurde eine Wohnung zugewiesen, 24 Quadratmeter mit Außenklo." Seine Stimme hat sich verändert, er wirkt bitter, enttäuscht. Die Fenster waren nicht dicht, im Winter war die Wohnung so kalt und zugig, daß der Ofen das Zimmer nie wirklich warm bekam. Er beschreibt, wie seine Freundin immer nur neben dem Ofen sitzen wollte, selbst im Bett sei es ihr zu kalt gewesen.
Im Hinterzimmer der Kneipe tagt die Jahreshauptversammlung eines Vereins. Gläser scheppern, geschwätzig-wichtigtuerische Reden werden gehalten. Peter bietet mir eine DDR-Zigarette an, ich bleibe bei meinen Zigarillos.
"Das war ganz schlimme gewesen. Eine Einraumwohnung, die ganze Wohnung hatte 24 Quadratmeter, die ganze Wohnung, und mit Außentoilette, und dann mit zwee Mann". Obwohl seine Freundin eher weiblich gewesen sein dürfte. Sei's drum. "Ich weiß nicht, ob du irgendwelche Vorstellungen hast von 24 Quadratmeter, und das mit zwei Mann ... das mußte erst mal bewältigen. Kochmaschine hatte ich mit Öl angestrichen gehabt, damit sie ein bißchen chic aussieht und du ein bißchen was druffstellen kannst. Na ja, das mußt du erst mal bewältigen. Das war natürlich zu hart. Da bin ich irgendwann ausgeflippt. Da hab ich dann gesagt, das haut nich hin. Und da wurde ich erstmal so richtig rechtsradikal."

Und das war es dann auch: Die enge Wohnung unerträglich für zwei Personen, die Beziehung bald kaputt. Peter glaubt, seine Beziehung habe niemals eine Chance gehabt. Die Behörden hätten ihn ignoriert, eine angemessene Wohnung nicht zur Verfügung gestellt. Wie oft sei er zur Behörde gegangen, um eine größere Wohnung zu erbitten. Und wie erniedrigend sei er behandelt worden. In dieser Zeit starb auch seine Mutter. Sie hatte Krebs. Auch hier fühlte sich Peter von den Behörden allein gelassen, nötige Hilfe und Unterstützung sei ihm vorenthalten worden. Die Wohnung der Eltern war, angesichts des Pflegefalls, völlig unzureichend.

Peter muß sich zusammennehmen, er will in der Öffentlichkeit nicht weinen. Für einige Sekunden ist er still, nimmt dann eine neue Zigarette und geht schon wieder auf die Toilette. Ja, denke ich, wer aus normalen Leuten Faschisten machen will, der muß sie lange genug wie Hunde behandeln. Immer wieder wird deutlich, daß niemand Peter zugehört hat, niemand sich für ihn interessiert oder ihn auch nur respektiert hat. Außer ein paar Kumpeln in der Kneipe, mit denen er sich regelmäßig betrunken hat. Mit denen er sich bald einig war, daß Ausländer weg müßten. Polen und andere Fremde hätten sich in die Kneipe gedrängt und den Deutschen den Platz weggenommen. Und Frauen angemacht, deutsche Frauen. Mit Westgeld geprotzt, das sie in Westberlin durch illegalen Handel verdient hatten. Wie auch die Türken in Ostberliner Discos. Ausländer und Westgeld - welche Provokation. Ausländer raus! - die Parole wurde dann nicht nur gerufen. Peter erzählt von Prügeleien, von Angriffen gegen Ausländer, an denen er beteiligt war. Bis die Polen blutig vor der Kneipe auf der Straße lagen.

"Du warst irgendwo sauer. Auch wenn du manchmal auf der Straße gesehen hast, so'n dunkelhäutiger is in einen Neubau gelofen. Hat einen passenden Schlüssel gehabt, 'n Ausländer, hat 'n passenden Schlüssel gehabt, is in den Neubau gelaufen, und du weißt ganz genau: in einer halben Stunde bist du wieder in deiner Einraumwohnung mit Außentoilette. Das hat einen angekotzt."
Aber Peter hat noch ein anderes, originelleres Argument gegen Ausländer. Er meint: "deutsche Schweine haben wir schon genug. Da brauchen wir nicht noch ausländische." Ich bestelle mir noch eine Tasse Kaffee.
Peter spricht wieder vom Scheitern der Beziehung und der Wohnung. "Kommunisten - weg!" Er betont das sehr nachdrücklich, es kommt von Herzen. "Und da wurde ich erst so richtig neofaschistisch. Mach mal kurz aus" - er meint das Tonband - "ich muß mal auf Toilette". Applaus aus dem Hinterzimmer mit der Vereinssitzung.
Kaum sitzt er wieder, nun raucht auch er Zigarillos, erklärt er: "Wenn du ein Mädel hast, dann versuchst du auch, es zu halten. Du kannst aber nichts machen mit so ner Wohnung. Du willst ja auch für dat Mädel eine Wohnung schaffen, wo du eben sagst: da hau ich Raufaser ran, da hau ich Mustertapete ran, dat Bad das flies ich und da mach ich da ne Innentoilette. Das kannste ja nich, da kannste ja nichts machen. Du hast ja keine Möglichkeiten dazu."

Er sieht mich wieder ganz lieb und traurig an, wenn ich seine Wut auch spüren kann. "Wie ein geprügelter Hund", muß ich immer denken. In der Diktatur, in die er hineingeboren wurde, habe er auch nichts machen können, erklärt er mir. Keine Aufstieg möglich, zumindest ohne sich irgendwo einzufügen. So ein Typ sei er aber nie gewesen. Immer müsse man irgendwo eintreten oder mitmachen. Und zum Faschisten sei er auch geworden, weil die SED die Nazi-Diktatur am meisten gehaßt habe. Da habe daran ja wohl einiges gut sein müssen, oder nicht? Die Nazis seien schließlich die konsequentesten Anti-Kommunisten. Der ruhige und freundlich-unsichere Peter ist zugleich zu einem Ausmaß an Haß fähig, das Angst macht. Und sein Haß ist so selbstverständlich für ihn wie grenzenlos. Alles was der SED, der Stasi, dem "System" in der DDR schadete, war gut, ohne Zweifel. "Die heutige Diktatur will ich nicht, also bin ich für die alte Diktatur, ratzpatz." Das war 1983/84. Noch vor der Zeit mit der katastrophalen Wohnung.
Und noch früher hatte er seine Mutter gefragt, wie denn sein Opa in der NSDAP und der SS hätte sein können. "Er hat dazu gestanden. Er hat dazu genauso gestanden, wie du zum BFC stehst" - dem Ostberliner Fußballclub. Deutsche Politik in einem deutschen Staat. Sekundärtugenden, die Amok laufen: man steht zu sich und seinem Verein, gleich ob Fußball oder Faschismus. Oder SED oder Freier Marktwirtschaft. Oder Deutschland.

"In der Bundesrepublik seid ihr deutsch, und ihr wißt das. Wir als DDR-Bürger müssen erst mal versuchen, deutsch zu werden." Ein paar Sätze später meint er dann, daß "wir DDR-Bürger viel deutscher sind als ihr", ein Widerspruch, der ihm keine Kopfschmerzen macht. Vielleicht hat er gar mit beiden Aussagen recht. "Und dann kam es auf einmal. Plötzlich hab ich mir klar gemacht: Ich bin ja Deutscher! Ich hatte das ja am Bild meines Opas gesehen, aber ich war ja auch Deutscher!" Der Opa war der SS-Offizier. Peter erkundigt sich bei seinen Großeltern nach deren Arierpässen unter den Nazis und erhält bestätigt: er ist tatsächlich Deutscher. "Da haste dich erstmal zurückgelehnt, und dir angesehen was rechts und links von dir lief. Und dir gesagt: das is alles Kommunismus, aber ich bin ja Deutscher. Das will ich nicht."
Die Espresso-Maschine im Hintergrund lärmt, Peter nimmt schon wieder eine Zigarette und ich warte darauf, daß er sein neuestes Bier zur Toilette trägt. Ich befürchte, daß andere REPs bald nachkommen könnten und unser Gespräch dann vorbei wäre.

Ich frage ihn, warum er heute kein Faschist mehr ist. Heute tritt er für Demokratie und demokratische Verhältnisse ein. Und im Gegensatz zu einigen anderen aus der rechtsradikalen Szene, die ich in diesen Wochen kennengelernt habe, habe ich bei Peter daran nicht den leisesten Zweifel. Peter ist ausländerfeindlich, er verabscheut die Sachsen, er ist sehr deutsch und nationalistisch, vielleicht auch nur deutsch-national. Aber heute ist er überzeugter Demokrat, Rechtsdemokrat vielleicht, aber immerhin. Er verabscheut Privilegien, er verabscheut - inzwischen - jede Form von Diktatur. Auf meine Frage meint er: "NEOFASCHISMUS ist mir jetzt zu primitiv." Heftiger Applaus im Nebenraum und die anschließende, laute Aufforderung: "Ruhe bitte!". Wir sind nicht gemeint.

"Heute, nach der Wende, sieht alles ganz anders aus. Da würde ich zum Beispiel nie mehr sagen: Adolf Hitler an die Macht!, wie damals." Bis November/Dezember 89 hat sich Peter noch der DVU, FAP oder NS verbunden gefühlt. "Gefühlt" ist tatsächlich das richtige Wort - die genaue Organisation war gleichgültig, solange sie nur den Haß aufs alte Regime verkörperte. Je extremer, desto besser - Details waren bedeutungslos. Aber mit der "Wende" in der DDR wendete sich auch Peter. Wenn er jetzt spricht, ist er lebhaft, aufmerksam und engagiert. Die Öffnung der Mauer hat ihm - der zuvor reihenweise Ausreiseanträge gestellt hatte - gezeigt, daß sich das Dableiben lohne. Jetzt würde es eine Veränderung geben, sogar die Wiedervereinigung. Jetzt war die eine Diktatur zusammengebrochen, damit ließ die Faszination der früheren, die Faszination des Faschismus, bald nach. Heute meint Peter, daß "beide Diktaturen Scheiße" seien, "und beide gescheitert. Jetzt muß man alles tun, damit keine Diktatur an die Macht kommt, beide Diktaturen mit aller Macht bekämpfen." Und faszinierenderweise hat er sich genau aus diesem Grund aus der Fascho-Szene gelöst und ausgerechnet den REPUBLIKANERN angeschlossen.
Als die Mauer geöffnet wurde, ist er nach Westberlin gefahren. Dort hat er die REPs gefragt, ob sie neofaschistisch seien, ob sie eine Diktatur einführen wollten. Das hat man weit von sich gewiesen, so etwas sei ausgeschlossen. Bei anderer Gelegenheit hat Parteichef Schönhuber - der aus der Waffen-SS - Peter persönlich gefragt, ob er nicht am Parteiprogramm der REPs für die DDR-Volkskammerwahl mitarbeiten wolle. Wie damals bei der FDJ hatte er gesagt: "Ich mach die Sache", und war mit einer Gruppe DDR-REPs nach Bayern gefahren, um das Programm mitzuformulieren. Inzwischen ist das gegenstandslos geworden: die DDR-Volkskammer hat die REPUBLIKANER verboten, eine Teilnahme an der Wahl war damit ausgeschlossen. Man merkt Peter aber seinen Stolz noch an, von Schönhuber persönlich zur Mitarbeit eingeladen worden zu sein. Er erklärt immer wieder, daß die REPs wirklich demokratisch seien. Das hätte man ihm selbst mehrfach gesagt. Und sonst wäre er auch nicht dabei. Aber Zweifel bleiben ihm doch: das Verbot durch die Volkskammer oder Aktionen aus der Bevölkerung gegen bekannte REP-Mitglieder findet er schon "verständlich, schließlich ist die Partei oft als rechtsextrem oder faschistisch verdächtigt worden." Und er fügt hinzu: "Sollte ich jemals erkennen, daß die eher diktatorisch sind, die REPUBLIKANER, dann ist das erste was ich mache: austreten."

Dabei ist er sehr energisch geworden. Er will damit meine möglichen Zweifel am demokratischen Charakter seiner Partei zerstreuen. Zugleich aber spüre ich, daß er seine eigenen Zweifel damit übertönt. Eine MONITOR-Sendung habe ihn schon etwas skeptisch gemacht. Überhaupt frage ich mich, in welchem Maße Peter eigentlich ein typischer DDR-REPUBLIKANER ist. In Leipzig hatte ich Skinheads getroffen, die mit den REPs zusammenarbeiten, einzelne der dortigen REPs waren kaum verhüllte Neo-Nazis. Ein neu dazukommender Alt-Nazi war dort freudig als "einer von den alten Kameraden" begrüßt worden. Der Kreisvorsitzende der REPs in Pegau (eine Kleinstadt südlich von Leipzig) hatte mir einen temperamentvollen Vortrag über die "Verzichtspolitik" von Kohl und Modrow und "das deutsche Recht auf Schlesien und Ostpreußen" gehalten.

Davon bei Peter keine Spur. Er hält Gebietsansprüche gegen Polen für verrückt, auch wenn er weiß, daß bei den REPS solche Forderungen durchaus üblich sind.
"Auf alle Fälle - einig Deutschland, Vaterland. Aber mit Einschränkungen, muß ich sagen: Nicht in den Grenzen von 1937, sondern was jetzt die Bundesrepublik und die DDR ist. Also da war ich sehr dafür gewesen, daß man da irgendwie noch einen Kompromiß schließt. Also das, was heute Bundesrepublik und DDR ist - das einig Vaterland. Und mit der Polengrenze, das sollte man ruhen lassen."
In Leipzig hätte er dafür bei mancher Montagsdemo von seinen neuen Gesinnungsfreunden und deren Skinheadkollegen vermutlich Prügel bezogen - zumindest, wenn er sich nicht als REP zu erkennen gegeben hätte. Kürzlich sind dort Leute gejagt worden, weil sie eine DDR-Fahne dabei hatten.

Wie und warum genau seine plötzliche Erkenntnis stammte, Faschismus sei "primitiv und Scheiße", wo er doch jahrelang daran geglaubt hatte - das ist ihm selbst nicht wirklich klar. Es erscheint ihm heute genau so selbstverständlich, wie seine früher faschistische Einstellung. Vor zwei oder drei Monaten noch aktiver Neo-Nazi - heute überzeugter Demokrat: ganz schön schnell, ganz schön selbstverständlich und ohne nennenswerte Zweifel oder Fragen. Ich frage mich, wie stabil die neue Gesinnung ist und unter welchen Bedingungen sie sich mit gleicher Geschwindigkeit wieder zurück oder in eine ganz andere Richtung entwickeln könnte. Peter ist wirklich nett, er ist trotz des politischen Durcheinanders auf eine bestimmte Art naiv-unverdorben. Er ist alles andere als ein Polit-Profi westliche Prägung, so wie einige der Yuppie-REPs aus Bayern oder Westberlin: glatt, karrierebewußt und skrupellose Macher. Alles das ist Peter nicht, wird es wohl auch nie werden. Er ist sehr ernsthaft, unspektakulär. Er ist hilfsbereit und wäre - entsprechende Umstände vorausgesetzt - vermutlich auch mit Ausländern solidarisch, allem ausländerfeindlichen Gerede zum Trotz. Seine Forderung ist eigentlich nur, wie ein Mensch behandelt zu werden. Privilegien und Benachteiligung sind ihm ein Greuel, oder auch nur der Anschein oder die Illusion davon. Schließlich ist er nur deshalb gegen Ausländer, weil er sich durch sie - etwa bei der Wohnungsvergabe oder wegen des Westgeldes - benachteiligt fühlt.
"Bist du eigentlich enttäuscht von unserem Interview?", will Peter wissen. Das fragt er mehr als ein mal. Er macht sich Sorgen, ob ich unser Gespräch denn journalistisch überhaupt verwerten könnte. Und zugleich schimmert die Sorge durch, daß ich, als westlicher Journalist, nur auf ein paar spektakuläre und oberflächliche Parolen aus sein könnte. Er versetzt sich in meine Rolle als Journalist und will mir helfen, aber er will zugleich ernstgenommen werden, nicht einfach ausgenutzt.
 

 

Anmerkung:
"Peter" ist der fiktive Name eines realen Gesprächspartners. Ansonsten gibt der Text das tatsächliche Gespräch auf Grundlage meines Tonbandmitschnitts wieder.


© Jochen Hippler

 

siehe auch: “Rechtsradikale in der DDR”


 

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